Führen neue Fragestellungen zu anderen Antworten im Designprozess?

Fragen entwerfen – oder warum 42 die Lösung ist

Auf die Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ fällt im Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams die durch einen Computer, nach einer Rechenzeit von 7,5 Millionen Jahren, erstellte Antwort mit „42“ eher befremdlich als aufschlussreich aus. Aber der entscheidene Punkt ist eher die Qualität der Frage, nicht die Antwort.

In diesem konreten Fall sei es nicht genau auszumachen, ob es nun wirklich daran liegt, dass die Frage nicht präzise gestellt worden ist, wie der Computer anmerkt, oder ob schlicht die Mittel fehlen, die Antwort in einen sinnvollen Zusammenhang zur Ausgangsfrage zu bringen, geschweige denn die Frage in ihrer Komplexität zu verstehen oder gar zu beschreiben.

Aber es scheint interessant, das Augenmerk darauf zu legen, wie Fragen und ihre Inhalte die Antworten beeinflussen können oder bereits die Antwort vorwegnehmen. Dies ist ebenso für den Designprozess relevant, weil jede Aufgabenstellung (Briefing) eine Frage (oder auch mehrere) in sich trägt, und in Relation dazu jeder Entwurf (Konzept) entsprechende Antworten (Lösung) anführt. Zusammengefasst stellt sich folgende Frage: Brauchen wir andere Fragen für neue Antworten, sprich ein neues Fragebewusstsein in Hinblick auf die damit verbundene Problemlösung?

Jeder Entwurfsprozess, schlicht jeder Wille nach Lösung, beinhaltet eine Fragestellung, auch wenn diese nicht immer ausformuliert wird. Im Designprozess wird dieser Marker am Anfang mit „Briefing“ betitelt, was mit dem Wort „brief“ den Augenmerk auf die Verkürzung der Arbeitsanweisung legt, die Fragen beinhaltet oder evozieren soll. Die kürzeste Form des Briefings wäre eine einzige Frage.

Je kürzer die Formulierung der Ausgangsbasis, desto mehr Freiheit gibt es in der Lösungsfindung. Dies kann gut aber auch schlecht sein. Je größer das Feld durch eine unkonkrete Beschreibung gefasst wird, desto größer ist der Spielraum für Lösungen aber gleichzeitig auch die Gefahr des Sich-Verlierens. Im gleichen Zug kann auch eine zu konkrete Frage im Entwurfsprozess hinderlich sein, weil der Mensch dazu neigt, auf schon Bekanntes zurückzugreifen und dadurch die Gefahr besteht, dass der „Innovationsfaktor“ eher kleiner ausfällt. Aber es stellt sich immer auch die Frage, wie hoch der „Innovationsfaktor“ sein soll. Wenn die 1000 und 2. Kaffemaschine nicht besonders anders sein soll als die 1001 davor, dann reicht es doch, kleine Brötchen zu backen, oder?

Fragen bedingen ihre Antworten. Es gibt eine direkte Kopplung zwischen Frage und Antwort, allein durch ihre Schnittmenge der Beschreibung. Eine unverständliche Antwort auf eine Frage kann zeigen, dass die Antwort schlicht falsch ist oder sie kann auf fehlende Erklärungsmuster und Anknüpfpunkte hinweisen. Vielleicht ist die letztendliche Antwort auf alle Fragen „42“. Nur haben wir noch nicht den richtigen Code zur Dechiffrierung gefunden. Oder wir können die Antwort nicht verwerten. Wir brauchen auch Antworten, die uns weiterhelfen.

Mit der Fragestellung beginnt das Dilemma. Wie soll man eine Frage formulieren, die etwas beschreiben soll, was man noch gar nicht kennt, ohne in einen allgemeinen Status von „Floskeln“ zu verfallen? Ein Produkt für die Zukunft. Ein nachhaltiges Produkt für die Zukunft. Ein nachhaltiges, prozessoptimiertes und funktionales Produkt. Aber was sagt das eigentlich aus? Was ist denn genau „die Zukunft“? Ist es nicht nur eine Annahme, eine Zusammenführung von Wahrscheinlichkeiten? Jede Frage folgt also in ihrer Art und Weise einer Ahnung und ist somit eine Umschreibung auf dem Weg einer Lösungsfindung.

Die erste Frage bleibt oft nicht allein und kann auch nicht losgelöst betrachtet werden. Vielmehr fordert sie die Einordnung in einen Kontext und neue Fragen heraus. Das hat die Kreativbranche in gewisser Weise auch erkannt, so dass auf ein „Briefing“ oft ein „Re-Briefing“ folgt, dass dem „Briefing“ ein inhaltliches „Update“ verpasst und die auftauchenden Fragen konkretisiert und zwischen der ersten Annahme des Fragestellers (Kunde) und dem Weg der Lösungsfindung (Designprozess) einen Abgleich stattfinden lässt, um spätere Irrwege auszuschließen. Im Grunde genommen dient das „Re-Briefing“ aber nebenbei dazu, sich als Gestalter abzusichern, wenn man am Ende  des Designprozesses feststellen muss, dass man den Weg gemeinsam aber falsch gegangen ist. Vielleicht hätte mehr Zeit in die  „Ausformulierung“ der Fragestellung fließen sollen?

Im Idealfall findet bereits bei der ersten Fragestellung/Aufgabenstellung Gestaltung statt. Bereits zu diesem Zeitpunkt wird eine Frage entworfen, die einen Weg der Lösungsfindung implementiert und damit den gesamten Gestaltungsprozess beeinflusst. Somit ist der Entwurf der Frage(n) nicht nur der erste sondern auch ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg der Lösungsfindung, weil er einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Lösung hat. Das Augenmerk des Gestalters sollte daher immer auch auf der Fragestellung selbst liegen und nicht nur auf der Findung von Antworten.

Geschrieben von
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